Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
                                      Ich bin der  RockRentner im Harz
          und berichte hier von meinen Wanderungen, Begegnungen und Erlebnissen (nicht nur) im Harz.
Quälen am Steinberg(Turm) bei Goslar                                                                          28.05.2023 (Astrid gewidmet, meinem rettenden Schutzengel. Ohne sie würde ich heute noch verzweifelt um den Berg kreiseln.) Wenn ich nach Goslar fahre, ist der Blick auf den Steinberg mit seinem Turm und den Sendemasten, eines der ersten Zeichen, das mich empfängt, bevor ich in den Stadtverkehr eintauche. Den Wunsch, diesen Ort zu erwandern, schiebe ich schon einige Jahre vor mir her. Entweder war anderes geplant oder die Zeit reichte nicht. Die Strecke ist nicht lang, sagt der Blick auf die Karte, aber ich muss dabei zweihundert Höhenmeter auf knapp zwei Kilometern überwinden und das kann eine Strapaze werden. Heute allerdings habe ich das Ziel fest im Blick. Ich will den Turm auf 472 Metern per pedes erreichen und den Stempel mit der Nummer 111 einkassieren. So mein Plan; dass der aber beinahe aus dem Ruder laufen würde, ahnte ich da noch nicht. Es ist Pfingsten. Die Sonne scheint und ich gehe hinter der Kaiserpfalz auf der städtischen B82. Meine Schritte führen vorbei am Feuergraben und am Papenturm. Die Straße ist da abschüssig. Ein Pärchen kommt mir entgegen, beide schnaufen diese kleine heftige Steigung hinauf. Ich lächle ihnen zu, nicht ahnend, dass ich drei Stunden später mindestens ebenso kaputt und schnaufend mich da hoch quälen werde. Doch erst einmal richtet sich vor mir steil eine Bergstraße, die Alte Rodelbahn, auf. Ich muss da hoch, ob ich will oder nicht, denn oben lockt der Einstieg in den steilen Bergweg, der mich alsbald zum Steinburgturm bringen soll. Denke ich zumindest in diesem Minuten. Am Ende dieser „Rodelbahn“ entdecke ich eine Bank. Welch ein Glück – erst einmal verschnaufen! Natürlich wusste ich, dass es steil aufwärts gehen würde, aber gleich dermaßen heftig? Ich raffe mich auf und folge meinem Plan. Hinein in den Wald des Berges, um mich hinauf zu quälen. Alle 100 Meter um 10 Meter. Zum Glück ist es schattig und nach jeden gefühlt 100 Metern gönne ich mir eine Pause. Irgendwann muss ja der Abzweig nach links erscheinen. Nur einen Trampelpfad ins Dickicht kann ich erkennen, aber der kann es auch nicht sein, denn kein Schild oder Hinweis ist zu erblicken Also weiter. Ich gelange an eine Gedenkstätte für einen ehemaligen Oberbürgermeister von Goslar und von der Schutzhütte des Goslaer Handwerks genieße ich den Blick über die Baumwipfel hinab ins Tal. Doch wo verdammt, ist dieser Abzweig zum Turm, den mir die Karte zeigte? Zu diesem Zeitpunkt weiß ich noch nicht, dass es der Trampelpfad ins Dickicht gewesen wäre und ich weiß auch nicht, dass die Ausschilderung hier schlicht „unter aller Kanone“ ist. Warum hat man an diesem Pfad kein Schild aufgestellt? Hinter der Schutzhütte der Handwerkerinnung dämmert mir ganz allmählich, dass ich gerade dabei bin, den Berg zu umrunden. Schritt für Schritt nach oben, inzwischen unter der brennenden Sonne und mit Blick auf den Bergrücken gegenüber. Eine wirklich berauschende Aussicht, eine Menge wundervolle Natur, aber dieser Weg will und will keinen beschilderten Hinweis preisgeben. Ich nehme einen Schluck aus der Pulle und esse eine Apfelhälfte. Dann wandere ich weiter, immer in der Vorstellung, einen Wegweiser oder anderes Zeichen zum Turm zu finden. Nach einer Stunde erblicke ich einen Weg, links nach oben. Ich sehe einen umgestürzten Baum liegen und einen weiteren weit oben. Vielleicht ist dies der ersehnte Abzweig zum Turm? Doch als ich oben am Baum stehe, liegt vor mir nur eine große Bergwiese. Sehr schön anzusehen, aber für mich nutzlos. Also zurück und weiter auf dem Weg ins Ungewisse, der mich Minuten später an einen Rastplatz mit zwei Bänken vor einer riesigen Bergwiese führt. Ein traumhaft schöner Anblick und endlich auch eine Möglichkeit für eine Rast. Der nächste Schluck aus der Pulle und dabei diese Aussicht genießen. Doch ich muss weiter, den ersehnten Zugang zum Turm finden, um endlich auch den Stempel zu erobern. Tatsächlich finde ich gleich mehrere Schilder: Rundweg 1 (in alle Richtungen) sowie Rundweg 2 (auch in alle Richtungen). Will heißen, es existieren zwei Rundwege um den Berg, doch wo ist der Hinweis zum Steinbergturm. Den finde ich endlich, nach einer Runde um den ganzen Berg, ein wenig versteckt am Waldrand. Hier oben also der erste brauchbare Hinweis, wenn auch gut getarnt und schwer zu entschlüsseln zwischen all den Hinweisen auf Rundwege da- und dorthin. Schon ziemlich verschwitzt, doch hoch motiviert, folge ich dem Hinweis ins Dickicht hinein und lande schließlich auf einer schmalen Asphaltpiste, die mich windungsreich zum Turm bringt. Dann steht er vor mir, von einigen Bäumen verdeckt und davor der ersehnte Stempelkasten. Geschafft nach neunzig Minuten Ungewissheit auf unbeschilderten Wegen und ohne eine einzige menschliche Begegnung. So hatte ich mir das, zumal in der großen selbständigen Kreisstadt, nicht vorgestellt. Könnte aber auch sein, dass hier ohnehin nur Einheimische wandern und wandernde Touristen gern übersehen werden. Ich werde es niemals erfahren. Der Stempel mit der Nummer 111 landet im Heft und dann besteige ich die enge Wendeltreppe nach oben. Ich bin nicht der Einzige, der die herrliche Aussicht genießen möchte. Von dieser Plattform hat man einen nahezu unversperrten Blick auf Goslar und die Berge ringsum. Nur zum Brocken verhindern einige Baumwipfel die Sicht, aber ich genieße den Lohn der Quälerei und lasse mir das laue Lüftchen um die Ohren wehen. Wieder ein Ziel erreicht, wieder mich selbst überwunden, die 200 Höhenmeter gleich mit und den Steinberg umrundet auch noch. Mehr geht nicht, denke ich, aber ahne noch nicht, dass die Steigerung dessen erst noch vor mir liegt. Am Fuße des Turms nehme ich den letzten Schluck aus der Pulle sowie die andere Apfelhälfte als Nachspeise. Zum Beweis lasse ich mich, zusätzlich zum Stempel, von einem der Besucher vor dem Turm ablichten. Zeit, den Rückweg anzutreten. Ich frage einen, der von unten kommt, nach dem kürzesten Weg zurück nach Goslar: „Unten, wo die Schranke ist, scharf nach links.“, lautet die knappe Antwort. Das sollte ich schaffen. Die Schranke ist bald erreicht und ein Weg nach links auch: Rundweg (!). Ich bin skeptisch, hoffe aber auf einen Abzweig nach rechts, runter zur Stadt. Doch nach zwei-, dreihundert Metern beginnt dieser Weg wieder anzusteigen und ich glaube, hier falsch zu sein. Also umdrehen und zurück zur Schranke. Dort treffe ich auf eine Gruppe Mountainbiker und erfrage bei ihnen den kürzesten Weg nach Goslar. Eine freundliche Dame bemüht ihre Bike- Navigation und zeigt in Richtung Asphaltband: „Immer da entlang, der Straße folgen und dann links halten.“ Zwar führt das Band vom Berg weg, aber vielleicht weiß ja die digitale Navigationswelt mehr, denke ich. Ich folge dieser Bergstraße, links führt ein Trampelpfad runter in den Wald, aber wieder kein Hinweis, kein Schild zu sehen - nichts! Nach dreihundert Metern endlich ein Hinweis zum Kinderspielplatz am Steinbergweg. Den kenne ich und weiß schlagartig, dort will ich nicht hin. Viel zu weit und der Rückweg zur Stadt noch viel weiter. Stopp und wieder zurück. An der Schranke nehme ich noch einmal den Rundweg. Vielleicht habe ich die Abzweigung übersehen, könnte ja sein, motiviere ich mich. Ich laufe jetzt schon eine gefühlte halbe Stunde hin und her, kann keinen brauchbaren Hinweis entdecken und ich selbst schwanke zwischen ziemlich kaputt und lustlos. Da kommt mir eine weibliche Person entgegen. Noch bevor sie mich erreicht, frage ich hoffnungsvoll nach dem Rückweg in die Stadt. „Geht es Ihnen gut?“, bekomme ich zur Antwort. Ich bestätige und beschreibe meine Irrungen und Wirrungen auf diffusen Wegen. Sie lächelt mich an: „Kommen Sie mal mit, Sie sind völlig falsch oder wollen Sie den Berg ein zweites Mal umrunden?“ Ich verneine, erwähne aber die schlechte Beschilderung, die jeden Fremden verzweifeln ließe. Zum Glück bestätigt sie meine Wahrnehmung und ich fühle mich nicht mehr ganz so bescheuert, unwissend und ahnungslos. Hinter der Schranke, dort wo dieser schmale Trampelpfad runter in den Wald führt, bleiben wir stehen. „Hier immer gerade bis Sie auf der Asphaltstraße sind. Nicht abbiegen! Dann sehen Sie den Rest.“, erklärt die freundliche Dame und ich sage ihr, dass ich hier schon einmal war, aber ein Hinweisschild vermisst hätte. Einfach ein Schild mit Pfeil und darauf: GOSLAR. Sie nickt und ihr Name ist Astrid, verrät sie mir beim Abschied. Sie hat mich gerettet, mich von allen Qualen des hin- und her Pendelns erlöst. Mein rettender Glücksengel heißt Astrid und ich bin ihr sehr dankbar. Frohen Mutes und mit letzten Kraftreserven stolpere ich abwärts über Stock und Stein. Ab und zu ein unsicherer Blick durch die Bäume ins Tal, wo sich endlich bekannte Konturen abzeichnen. Jetzt höre ich Straßenlärm sowie Kinderlachen und dann trete ich aus dem Wald. Da steht diese Bank am oberen Ende der „Alten Rodelbahn“ und ich weiß, hier muss ich runter. Am Frankenberger Teich gönne ich mir die allerletzte Pause, denn ich spüre meine Knochen und ahne, die letzten paar hundert Meter werden schwer und langsam sein. Auf der finalen Steigung des Fußweges denke ich an jenes junge Paar, das mir drei Stunden zuvor schweren Schritts entgegen kam. Zum Glück begegnet mir niemand. Ich quäle mich einsam an den Gärten entlang und bin froh, dass dies niemand sehen kann. Ich bin fix und alle, als ich den Hof hinter der Kaiserpfalz betrete und dennoch verdammt glücklich, dieses tolle Abenteuer bestanden, den Steinbergturm gefunden und den Stempel Nummer 111 gesammelt zu haben. DANKE meinem Schutzengel Astrid. Das dauerhafte Umkreisen des Steinberges auf dessen Rundwegen ist mir dank dieser unverhofften Begegnung erspart geblieben.